bist du etwa ein mädchen?

bist du etwa ein mädchen?

Sonntag, 30. November 2014

mantra

"Parenting isn't about making the right decision every time. It's about a collection of choices and an ongoing dialog. It's not about perfection but about being open and honest in our relationship with the kids that we share our lives with."

"Elternschaft bedeutet nicht, zur jeder Zeit die richtige Entscheidung zu treffen. Sie ist eine Vielfalt an Möglichkeiten und ein beständiger Dialog. Elternschaft bedeutet nicht, perfekt sein zu müssen, sondern ein offenes und ehrliches Verhältnis zu den Kindern aufzubauen, mit denen wir unser Leben teilen."

Paige Lucas-Stannard, Gender Neutral Parenting, 2012, S.114




fotonachweis: am I a bad parent?, in leicht veränderter farbvariation. von:  Ben McLeod, cc-by-nc-sa, gefunden auf: flickr.com

Samstag, 29. November 2014

schießen spielen

zeit zu spielen? foto von rosava, cc-by-nc-sa, gefunden auf: flickr.com

auch an meinem großen jungen-identifizierten kind geht die normalisierte lust am schießen-spielen nicht vorbei. es fing an mit wasserspritzpistolen, die wir durch wasserpumpen zu entschärfen suchten. rückblickend gehört wohl auch das katapult, das wir bauten, um damit schaumstoffbälle auf blechdosen zu katapultieren (das scheppert) dazu. ich hatte gehofft, das wäre der rahmen, indem die lust am kämpfen, krachmachen und dinge kaputt machen kanalisiert werden könnte. dennoch kam der tag, an dem mein kind plötzlich präzise figuren, handlungen und hintergründe von 'star wars - clone wars' (genannt klummboss) nacherzählen konnte: ergebnis tagelanger fachkonferenzen und workshops im kindergarten, durchgeführt von kindern mit intensiven recherche-erfahrungen, die sie samstags vormittags auf privatfernsehsendern durchgeführt hatten. (nein, ich mache hier bestimmt kein elternbashing...) schießende finger und große fragende augen, die sich im supermarkt nichts sehnlicher wünschen, als die mitten auf dem gang entdeckte plaste-fake-kanone im kartonschieber kaufen zu dürfen erscheinen im rückblick unvermeidlich. außer natürlich, ich wäre meinen mutterpflichten nachgekommen und hätte meine kinder in einem zuhause ohne fernseher und ohne zugang zu anderen kindern (und sonstigen politisch unkorrekten menschen) behütet. sandburgen bauen auf dem spielplatz? zu gefährlich, unter den anderen besucher_innen könnte ja ein kindergartenkind sein. ok, beseite mit dem hysterischen sarkasmus. wenn ich es schon nicht vermeiden kann, kann ich es schlechterdings auch nicht ignorieren. wie also reagieren?

wie soll ich meinem sechs-jährigen lütten verständlich machen, was es bedeutet, eine waffe zu tragen und leben zu nehmen? wie soll ich altersgerecht aufarbeiten, wie tagtäglich global gelitten wird und wie kampf, folter, tod dazugehören? wie kann ich meinem kind vermitteln, was es für die betroffenen menschen und ihre umgebung bedeutet, ein_e kindersoldat_in zu sein? warum ich das gesicht verziehe und ernst werde, wenn schießen-spielen wieder losgeht. warum ich den kauf einer plastewaffe nicht unterstütze (mal abgesehen von dem plaste als stoff an sich)

das thema ist so unglaublich komplex. eine dimension davon, die in weißen, westlichen und vor allem: in gut-bürgerlichen, eher wohlhabenden kreisen meistens ignoriert wird, ist die klassen-dimension, die das phänomen der kindersoldat_innen prägt.

auf der konferenz zur (ungerechtfertigten und unklugen unterrepräsentanz) von frauen in globalen friedensverhandlungen, die ich kürzlich besuchte, sprachen die eingeladenenen referentinnen sehr ausführlich über die bedingungen, unter denen von den kriegerischen zuständen betroffene zivilist_innen in syrien und irak durchhalten und um ihr überleben kämpfen. auch dort werden minderjährige als soldat_innen rekrutiert. was das bedeutet, kann in einem, einen differenzierten eindruck machenden artikel auf wikipedia nachgelesen werden. was rekrutierende organisationen, wie bspw. ISIS bieten, ist enorm: soziale absicherung, anerkennung, macht. so auch im irak, berichtet etwa eine referentin,wo mädchen in clan-gesellschaften unter 18 jahren verheiratet werden, obwohl das laut staatlicher gesetzgebung illegal ist. die folge: ihre ehen werden vor gesetz nicht anerkannt, die kinder dieser verbindungen werden nicht anerkannt, sie haben keine papiere und daher keinen zugang zu bildung, gesundheitssystem und anderen sozialen leistungen. eine nachträgliche legitimierung und soziale absicherung durch papiere ist den frauen und kindern aus einem mangel an entscheidungsfreiheit, reisefreiheit und geld meist nicht möglich. und vielleicht ist das auch gar nicht gewollt. kommt nun eine organisation, zumal eine so gut finanziell aufgestellte, durchstrukturierte und ehrgeizige wie ISIS in die regionen der clans, haben sie oft leichtes spiel: kinder und junge erwachsene, die bisher kaum eine chance auf eine gute zukunft für sich gesehen haben, bekommen die möglichkeit einer ausbildung, einer sozialen infrastruktur, eines regelmäßigen gehalts und idellen rückhalt, sowie individuelle anerkennung. etwas wert zu sein ist viel wert.

auch mein kind möchte anerkannt werden.

neulich bei oma und opa auf dem hof: ein schraubstock, eine abgesägte dachlatte, sechs nägel und ein hammer: ein viertel stunde hämmern und der große präsentierte sein gewähr mit vorsichtigem stolz: 'nicht gleich schimpfen, aber... das ist mein gewehr und da kann man rausschießen und da und da und hier und hier hinten und hier kann man auch rausschießen. aber keine angst, mama, wenn ich mit diesem gewehr auf dich schieße, dann bedeutet das, du bist in meinem team.

Freitag, 21. November 2014

in eigener sache - feministische mutterschaft in blogs

nicht nur die söhne gehen heute ins netz - göttin sei dank!, foto von the waving cat, gefunden auf flickr.com, cc-by-nc-sa


wie bereits in meinem letzten post angedeutet, werden eltern meiner erfahrung nach - die mütter mit ungleich härteren sanktionen versehen - zu 100%, for better or worse, für die entwicklungen und persönlichkeiten ihrer kinder verantwortlich gemacht: im besten fall sind diese irgendwie gesellschaftskonform und damit 'gut geraten'. meistens jedoch gibt es irgendetwas auszusetzen, und dann ist vor allem eine schuld: diemutter. meine andere hälfte und ich sind uns schon in den ersten lebensmonaten des großen kindes ganz schnell einig geworden: wie man's macht, macht man's verkehrt.
für mich bedeutet das folgendes: wenn ich eh dafür verantworlich gemacht werde, dass meine kinder einen schaden haben, dann werde ich dafür sorgen, dass sie genau den schaden haben (werden), den ich für sie für richtig halte. ('ein zopf? der sollte wohl mal ein mädchen werden!')

Jeanna Krömer schreibt in der november-ausgabe der anschlaege.at über social media moms und deren diskussion als narzistische selbstdarstellerinnen, die ihre kinder "einfach zum zweck der selbstdarstellung ausnutzen" bam. ein weiterer punkt auf der liste der schäden.

dabei spricht mir Krömer in ihrem fazit aus dem hirn: nicht nur die gegenseitige unterstützung und hilfestellung, sowie die kontaktmöglichkeiten mit familienmitgliedern über weite entfernungen hinweg, sei für sie entscheidend für die nutzung von sozialen netwerken iminternet:

"Social Media Mom zu sein ist für mich daneben auch eine politische Position. Nicht nur, weil das Private politisch ist, sondern auch, weil einige Kollektivmutterblogs versuchen, nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch die ganze Welt zu verbessern."

meine rede. ich freu' mich schon aufs kollektivieren!

Montag, 17. November 2014

was, wenn das eigene kind an handgreiflichkeiten beteiligt ist?

'Siblings' heißt dieses relief mit dem motiv kämpfender kinder. foto von jurek d.. gefunden auf flickr.com. cc-by-nc 2.0

bisher habe ich aus reinem selbstschutz (denn mütter sind immer, wirklich immer, der grund für die 'verdorbenheit' ihrer kinder) erfolgreich ausgeblendet, dass meine kinder als jungen-identifizierte und mit erwartungen an das verhalten 'richtiger' jungen konfrontierte menschen in die ihnen vorgeschriebene rolle als täter eintauchen und andere kinder drangsalieren (könnten). ich will mit dem folgenden post nicht negieren, dass auch mädchen-identifizierte zu aggressivität neigen können. und keinesfalls soll hier das stereotyp aufgebaut werden, dass 'jungen' immer aggressiv wären. dennoch behaupte ich, dass auf ihnen einer größerer anpassungsdruck in bezug auf aggressives verhalten lastet. und dass sie auch mehr möglichkeiten haben, aggressives verhalten auszuleben, da es als natürlich hingenommen wird.

als es vor einem jahr eine phase im leben meines großen kindes gab, da er seinen besten freund Bruno* offenbar jeden tag haute, schubste und kniff, konnte ich das, nachdem es mir nach vier(!) wochen von dessen entrüsteter mutter vorgeworfen wurde, schnell auf eine psychologische stresssituation zurückführen: wir waren drei monate zuvor in eine andere stadt gezogen, er war im kindergarten gut angekommen, hatte aber kurz darauf seinen erzieher an eine besser bezahlende, vollzeit bietende kita, einen seiner vier neuen freunde an einen anderen stadtteil und zwei weitere an die große gruppe im eigenen kindergarten verloren. plötzlich gab es nur noch Bruno als bezugsperson und Bruno wollte (verständlicherweise) nicht ausschließlich meinem kind als spielpartner zur verfügung stehen. mein kind - das nicht wohin wusste mit seiner trauer - wurde aggressiv. nur bekam ich von seiner aggressivität nichts mit (von der trauer wusste ich dagegen sehr wohl), was offenbar daran lag, das die erzieherinnen sein verhalten mit dem spruch quittierten: 'so sind jungs eben'. dieser konflikt traf mich hart. bis dahin war mein kind dasjenige, das gebissen wurde. aber nicht das, das wiederholt auf andere losging.

dieser tage, anderthalb jahre später, erfuhr ich von der erzieherin Lina*, dass mein kind offenbar im dreierbund mit Bruno und einem weiteren lieblingsfreund die Jule* aus der jüngeren gruppe überredet hatten, in den spielgeräte-schuppen mitzukommen. dort schüttelten sie sie und sperrten sie ein, verbarrikadierten die tür. offenbar wurde mein kind - das dienstälteste - als anführer identifiziert und mit vor-dem-mittag-allein-am-tisch-sitzen bestraft. normalerweise sei ihr motto, was im kindergarten passiere, bliebe auch im kindergarten, aber diesmal müsse sie eine ausnahme machen, sagte Lina noch, bevor sie mich bat, nicht zu schimpfen, aber doch die sache nochmal anzusprechen. das taten wir zuhause, wiederholt, getrennt und möglichst aufgeräumt und bestimmt.

wie sie auf so was kämen, fragte ich mein kind, eine woche später, weil es mir nicht aus dem kopf ging. nicht er, sagte mein kind, sondern der Bruno hätte sich das ausgedacht, weil der die Lara* nicht leiden könne. er hätte die Lara gefragt, aber die hätte nicht mitkommen wollen. da hätte der Bruno den Paul* aus der ganz kleinen gruppe gefragt, aber der hätte auch nicht mitgewollt. schließlich wäre die Jule mitgegangen. wer da nun wirklich was gesagt und getan hat, lässt sich bis hierhin nicht mit sicherheit rekonstruieren. insbesondere nicht, was denn nun der eigentliche grund ist. ich habe die befürchtung - egal wer denn nun wirklich welche initiative ergriffen hatte, dass es die neugier daran ist, durch körperliche strafen macht auszuüben, die diese kinder motiviert hat - und die suche nach einem möglichst leichten opfer sich auf zwei stereotypen fokussierte: auf mädchen und auf kleinere kinder.

ACHTUNG: TRIGGERWARNUNG FÜR DIE NÄCHSTEN DREI ABSÄTZE
mir kommt ein soziologischer aufsatz in den sinn, den ich vor einem knappen jahr gelesen habe. (Gerold Scholz: Zur Konstruktion des Kindes) der autor ist der meinung, dass es 'einfach' in der natur der menschen läge, zu quälen und töten zu wollen und dass diese ursprüngliche natur durch den akt der soziabilisierung quasi 'gebändigt' würde. dennoch sei sie unberechenbar und nie wirklich zu kontrollieren. Scholz diskutiert einen schwer zu begreifenden mordfall: 1993 töteten in England zwei jungenidentifizierte kinder ein anderes jungen-identifiziertes kind - ein mordfall, der auf der grundlage unserer vorstellungen von der unschuld des 'kindes' nicht zu begreifen ist.

um das hier einmal grundlegend festzuhalten: ich halte das für quatsch! weder gibt es eine - wie auch immer geartete - unbeeinflussbare natur des menschen. gerade die entwicklung und geschichte des menschen sollte uns eigentlich zur genüge aufgezeigt haben, wie wandelbar menschen sind und wie wenig gebunden an irgendwelche unabänderlichen biologischen gesetzmäßigkeiten. auch das, was gemeinhin als natur bezeichnet wird, ist in höchstem maße wandelbar und keinesfalls seit jahrhunderten oder seit schon immer und für ewig unabänderlich festgeschrieben. diese lesart schreibt nur jede_n einzelne_n von der verantwortung frei, weiter zu fragen, wieso menschen - egal ob groß oder klein - ihre gefährten quälen. oder sogar töten.

was zu hinterfragen bleibt, sind folglich die gesellschaftlichen strukturen und machtverhältnisse, die dem vorfall im kindergarten zu grunde liegen. wie ist (m)ein kind zu so etwas fähig? wie ist überhaupt ein mensch dazu fähig? welche kategorisierungen befördern die anfälligkeit eines menschen entweder gewalttätig zu werden und sogar zu morden, oder gewalt zu erleiden und sogar einen gewaltsamen tod zu sterben?

ich gebe zu, dass ich angst habe. es nicht zu schaffen, meine kinder, für die ich verantwortung trage, gegenüber diesen gesellschaftlichen strukturen und machtverhältnissen stark zu machen.

ich interviewe mein großes kind alle paar tage, in möglichst anschuldigungslosem tonfall, um keine nachrichtensperre zu riskieren. ich stelle nur ein oder zwei fragen und habe sehr damit zu tun, mir meine üblichen längeren vorträge zu verkneifen und stattdessen nur ein, zwei hinterfragende kommentare einzuschieben. zweifel an den motiven und den dahinter liegenden stereotypisierungen streuen, ohne meinem kind zu vermitteln, dass ich es verurteile. stattdessen betonen, wie wichtig es ist, verantwortung für andere zu übernehmen und sich für sie einzusetzen. ich komme dementsprechend nur langsam voran. und hoffe, das mein steter tropfen den stein gründlich aushöhlt.


alle namen mit * wurden von mir geändert.

Sonntag, 9. November 2014

es war einmal... in der DDR: ein etwas nostalgischer, auf alle fälle reduzierender, aber nicht verklärend gemeinter rückblick

1987 war ich zum fasching im kindergarten als kartenspiel verkleidet. das foto meines - als braut verkleideten - freundes Tomi* kann ich aus rechtlichen gründen zwar nicht posten - aber auch kartenspiele sind heute selten in der kindertagesstätte (wenigstens der meiner kinder) anzutreffen. liebe Wessikinder, wie habt ihr euch damals verkleidet? (*name von mir geändert), foto: all rights reserved

weihnachten 1987 (ja, das haben wir trotz gottlosigkeit und mangel an konsumwaren auch gefeiert): im kleid mit mini-fokuhila auf dem tretauto. liebe Wessikinder, was habt ihr so geschenkt bekommen? foto: all rights reserved

mit den zwei kindern der besten freundin meiner mutti im frühling 1989 beim rolle-um-die-wette-machen. welches bin ich - das einzige meedchen? und welcher hockt hinter der kamera? foto: all rights reserved


 

25 jahre!