bist du etwa ein mädchen?

bist du etwa ein mädchen?

Donnerstag, 30. Oktober 2014

mama, bist du manchmal eine hexe?

die schwarz-roten ringelsocken gehören auch zu meinen lieblingen - foto von garlandcannon, gefunden auf: flickr.com, cc by-sa
mama, bist du manchmal eine hexe?
so fragte neulich mein großes, sehr schlaues kind. wie er darauf komme, fragte ich lachend, und er antwortete, weil mein freund M. es gesagt hat. ich wusste nicht so recht woher das kam, war ziemlich zerstreut zwischen badtür, nassen sachen wechseln, händewaschen, abendbrot vorbereiten, ofen anmachen und allem, was so anfällt, abends, im herbst, mit zwei energiebündeln, die um mich herum wuseln und alle alles gleichzeitig wissen und haben wollen. ich lachte und sagte, ja, manche würden das behaupten. ich kam gar nicht auf die idee, ein dahinter liegendes gender konstrukt zu thematisieren. dabei hat alles damit zu tun!

warum würden manche vermuten, ich sei eine hexe? wegen meiner roten haare, meiner sommersprossen und meiner überdrehten art? 'rote haare sommersprossen sind des teufels artgenossen', und 'krause haare, krauser sinn, da steckt der deibel drei mal drin', sind mir wohl bekannte sprüche aus meiner kindheit (und eigentlich sagt meine schwiegeroma das heute noch gern zu mir).

was aber ist das für ein bild von 'hexe', das sich transportiert, sobald das wort in den raum geworfen wird? ohne frage eine person, vor der ein kind angst haben muss, wie vor der hexe im 'Hänsel und Gretel'-märchen. das ist die brockenhexe, die wir der oma von einer reise mitgebracht haben, deren augen rot leuchten und die ein typisches, kreischendes hexenlachen ausspuckt und es ist die plastehexe, die letztes jahr bei dem pferfferkuchenhaus-bausatz dabei war, den wir in der vorweihnachtszeit gekauft haben. (ich höre meine freundin L. protestieren, sie ist wicca und in ihrer feministischen gemeinde sehr aktiv.)

nur wenige wochen später, gerade heute, da stritt ich mit meinem großen kind, es ging darum, wie wir uns gegenüber der_dem anderen verhalten. wir beide waren sehr ungeduldig miteinander – wie immer. er zog den kürzeren: mama, du bist wirklich immer wie eine hexe! horch, dachte ich, da ist es wieder. daher also weht der wind. hexen, wie mama, das sind frauen, die sich durchsetzen. das sind – aus der perspektive meines kindes strenge mamas, die sagen, mach jetzt den fernseher aus und wasch dir die hände und jetzt gibt es keine schokolade mehr. aber vor allem sind es mamas, die ihren willen gegen den ihrer kinder durchsetzen. warum benützt mein kind genau diese metapher – und keine andere – um unseren konflikt aus seiner perspektive zu thematisieren?

als wir uns beruhigt hatten und mit halbwegs sattem bauch am abenbrottisch saßen, griff ich das thema wieder auf: sag' mal, wie sind denn hexen? – na die haben böse augen. aber manchmal sind sie gar nicht böse.

Freitag, 10. Oktober 2014

wie ist es, ein Schwarzer Junge zu sein?


plakat in schwarzweiß, mit der aufschrift 'will this be over, by the time i have a son? anlässlich einer demonstration für Michael Brown, am 14.8.2014
"Wird das vorbei sein, wenn ich eine Sohn habe?" - Detail einer Fotografie von nefer  media, aufgenommen am 14.08.2014 im Rahmen der Proteste um den Mord an Michael Brown, CC-BY-NC-SA 2.0

im mai diesen jahres veröffentlichte das US-zine HIPMAMA einen kommentar von Beth Leibson aus New York, die darin von der frustierenden, erniedrigenden und beängstigenden erfahrung ihres 11-jährigen sohnes berichtet. Ari wird eines ladens, in dem er bummelte, verwiesen, mit der androhung, sonst würde die polizei gerufen. sein vergehen? Ari ist ein farbiges kind und steht aufgrund seiner abstammung pauschal unter dem verdacht, zu stehlen.

Beth Leibson berichtet:

"Nicht zum ersten Mal fühlte ich mich wie erschlagen von der Erkenntnis, wie machtlos ich bin, wenn es darum geht, meine Kinder vor Vorurteilen zu schützen. Ich weiß, daß ein Teil der Verdächtigungen des Ladenbesitzers sich auf Ari's Alter beziehen; vorpubertäre Jungen jedweder race haben nicht gerade einen glänzenden Ruf. Aber aus diesem Alter wird Ari herauswachsen. Dem Vergehen, ein Schwarzer in Amerika zu sein, kann er hingegen nicht entkommen. Einige Menschen nennen es 'shoppen und schwarz sein' ( 'shopping while being black'). Andere bevorzugen den Begriff 'racial profiling'." (HIPMAMA, #55, Mai 2014 5-6)

racial profiling bezeichnet die pauschale und ungerechtfertigte verdächtigung von menschen auf grund ihrer äußeren körperlichen merkmale durch angehörige offizieller sicherheitsbehörden, die diese menschen somit als potenziell kriminell abwerten. es handelt sich um eine rassistische praktik. so etwas, was Ari passiert ist, passiert auch vielen tausenden von farbigen menschen nicht nur in den USA, sondern auch hierzulande. jeden tag.

Alice Lanzke schreibt dazu auf www.netz-gegen-nazis.de:

"Jeder kennt den Moment, wenn es in der Bahn heißt "Die Fahrausweise bitte". Dieser kurze Augenblick der Panik, obwohl man doch eigentlich weiß, dass man das Ticket dabei hat, nichts falsch gemacht hat. Und wenn man dann feststellt, dass der Geldbeutel zu Hause liegt anstatt im Rucksack, die Kontrolleure einen aus dem Waggon hinausgeleiten und die mitleidigen bis scharfen Blicke der anderen Fahrgäste registriert – dann macht sich schnell ein Gefühl der Erniedrigung breit.
Nun stelle man sich vor, man wäre der einzige Fahrgast, der kontrolliert wird – Tag für Tag für Tag. Und das, obwohl man einen Fahrschein hat, immer. Dennoch bekommt man ständig Misstrauen zu spüren, steht unberechtigt und willkürlich unter Verdacht – nicht nur unter dem der Kontrolleure, sondern auch dem der Mitreisenden. Die Vorstellung ist demütigend – aber für viele Menschen in Deutschland harte Realität. Nämlich dann, wenn sie einen sichtbaren Migrationshintergrund haben, wie es heißt. Mit anderen Worten: Wer vermeintlich ausländisch aussieht, wird schnell Opfer von Racial Profiling."

was dann passiert, wenn die erniedrigung, frustration und die angst nicht mehr ertragbar sind, erfahren wir aus den medienberichten rund um die tödlichen schüsse auf den Schwarzen teenager Michael Brown am 09.august diesen jahres, die in den letzten wochen und monaten am nervenkostüm der US-amerikanischen gesellschaft rütteln: demonstrationen, mahnwachen, konfrontationen, ausschreitungen. bis hin zu jenem letzten mittwoch abend, an dem erneut ein junger schwarzer mann - Venderrit D. Myers - in konflikt mit einem ehemaligen polizeibeamten gerät - und von diesem erschossen wird.

was bisher scheinbar nicht thematisiert wird, ist die gender-dimension dieser todesfälle, denen unzählige weitere - wie zum beispiel der von trayvon martin in Florida im frühjar 2012 - vorausgegangen sind. Wieso sind es immer wieder junge männliche teenager, die ins rassistische visir der beamten geraten? wieso sind es immer wieder männliche schützen, die ihre waffe gegen ihre opfer ziehen? welche spezifischen männlichkeitsvorstellungen liegen den entscheidungen un dhandlungen der polizisten und sicherheitsfachkräfte zugrunde? welche spezifischen männlichkeits-vorstellungen informieren die entscheidungen und handlungen der ins visir geratenen jugendlichen?

eine gründliche revision der gender-dimensionen, die die rassisierten vorfälle mit strukturieren, ist notwendig, um vollständig zu kären, wie es dazu kommen konnte, dass Trayvon, Michael, Venderrit und viele andere auf diese gewaltvolle weise sterben mussten.

und es ist eine reale chance für kinder, wie Ari - die, auch wenn sie jungen sind, einfach gerne bummeln gehen und sich schöne sachen anschauen.