bist du etwa ein mädchen?

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Dienstag, 30. September 2014

praktische tips: für gendersensible elternschaft



titel: Gender Neutral Parenting
autorin: Paige Lucas-Stannard
isbn: 978-0615903521

als mutti zweier selbst-, bzw. fremdidentifizierter jungen stoße ich oft an die grenzen meiner genderkompetenz und muss definitiv noch viel lernen. wie schnell rutsche ich in die entsprechenden bezeichnungspraxen ab, z.b. wenn ich *meine* kinder lobe: „du bist ein toller junge!“, und damit gleichzeitg bewerte, anstatt ihnen raum zur selbstdefinition zu ermöglichen. auch war ich lange frustriert darüber, wie schnell dem großen die haarspangen und (schotten-!)röcke im kindergarten abgewöhnt wurden, die in der krippe noch keinerlei negative aufmerksamkeit erregten. (stichwort: "die mag ich jetzt nicht mehr. Noa sagt, das ist was für mädchen") nicht ungeduldig zu werden, fällt mir in solchen situationen so manches mal schwer, obwohl ich weiß, daß meine kinder gerade dadurch ein schlechtes gewissen entwickeln können, dass sie letztendlich daran hindert, sich selbst zu mögen. ich denke, nur menschen, die sich selbst mögen, können auch offen und herzlich auf andere menschen zugehen. dafür müssen wir einerseits akzeptieren, wenn binäre kategorisierungen (wenigstens eine zeitlang) eine wichtige rolle im leben der jungen menschen spielen, die uns anvertraut sind. andererseits müssen wir aber auch nicht tatenlos zu sehen, was daraus wird.

gerade lese ich ein buch, das den etwas irreführenden titel gender neutral parenting trägt, dessen inhalt aber meines erachtens viel besser mit gendersensibler elternschaft bezeichnet werden könnte (oder, wie Kathy und David von rebelparents es formulieren: justice engaged parenting). Paige Lucas-Stannard hat einen ganz praktischen, niedrigschwelligen leitfaden geschrieben, der nicht etwa darauf abzielt, gender in der umgebung von kindern vermeintlich auszumerzen, oder zu ignorieren. vielmehr würzt eine prise theorie den kompakten leitfaden an praktischen tips für den alltag. das ziel: aus der rosa-blauen welt eine bunte machen und dann darüber in einen fruchtbaren dialog treten. was mir bei der lektüre (wie auch bei Cordelia Fine's buch Delusions of Gender) mut gemacht hat: in einem bestimmten alter, meist zwischen 4 und 7 jahren scheint es für kleine personen ganz besonders wichtig zu sein, das kategoriale denken zu entwickeln. (unter der annahme: eine technik zu beherrschen ist die voraussetzung dafür, sie zu hinterfragen) als eine der unmittelbarsten und schon von anbeginn an zur verfügung stehenden kategorie, ist die geschlechtszugehörigkeit eine ideale übungskategorie. daher sind personen gerade im alter zwischen 4 und 7 oft über-identifiziert mit einem der zwei heteronormativen geschlechter.

an diesem punkt hab ich erstmal aufgeatmet und arbeite gerade daran, mich dazu zu überwinden, meinem großen den wunsch nach Cars-hausschuhen zu erfüllen, damit er auch weiterhin das gefühl hat, mit allen wünschen, gedanken und überlegungen zu mir kommen zu können. (na, ja, vielleicht lässt er sich ja auf welche mit dino-motiv ein, wenn ich seine gedanken noch mal auf die problematik von merchandise und überteuerten produkten lenken kann)

für einen kritisch-konstruktiven dialog, der einen respektvollen umgang miteinander ermöglicht, schlägt Lucas-Stannard den sogenannten ARLO-dialog vor: AskReflectListenObserve. das ist ein gesprächsleitfaden für konfliktsituationen, der der autorin zu folge auch einen prima leitfaden für gendersensible gesprächsrunden abgibt. im gegensatz dazu verhärten sich viele gespräche immer noch unter den aspekten TellCorrectMinimizeDistract. gerade das Tell ist eines meiner hartnäckigsten schlechten angewohnheiten. aber glüchlickerweise lebe ich mit zwei aufmerksamen menschen zusammen, von denen ich viel lerne. als ich mal wieder zu einem längeren vortrag luft holte, hieß es dementsprechend pragmatisch (und leicht genervt): „mama, nich so viel erzählen!“ da hielt ich meine klappe.

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